EUCHARISTIEFEIER
IN DER ST. JOHANNESBASILIKA IN BERLIN AM 26. JUNI 2003 UM 18.30 UHR
(GEDENKTAG DES HL. JOSEMARÍA ESCRIVÁ BALAGUER: GEN 2, 4b-9.15; RÖM 8, 26-30; LK 5, 1-11)

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Beim Hören des Wortes Gottes, das die Kirche heute am Fest des hl. Josefmaria an uns richtet, fallen einem auf Anhieb einige Züge auf, die für die Spiritualität des Heiligen charakteristisch sind und uns als Vorbild geboten werden. Die drei von ihnen, die ich für unsere heutige Betrachtung ausgewählt habe, können mit schlichten und uns vertrauten Worten umschrieben werden, die aber in der Spiritualität des hl. Josefmaria einen einmaligen Reichtum beinhalten. Es sind die Worte: Arbeit - Liebe - Apostolat.

1. Zunächst zum Thema Arbeit:

Die Lesung aus dem Buch Genesis schließt mit den Worten: „Gott, der Herr, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte.“

Die Arbeit gehört so zur ursprünglichen Berufung des Menschen, zu der Aufgabe, die Gott ihm ausdrücklich und unmittelbar gestellt hat und die ihn von allen anderen Geschöpfen unterscheidet - und das noch vor der Sünde der Stammeltern. Die Arbeit setzt das Werk der Schöpfung fort. Der Mensch bebaut und behütet den Garten der Erde, diese wunderbare Welt, in die Gott uns gestellt hat.

Die Arbeit nimmt beim hl. Josefmaria eine zentrale Stelle ein, nicht zuerst als gesellschaftliche Botschaft - auch als solche -, sondern zuerst als geistliche Botschaft. In diesem Sinne schreibt er: „Jede Arbeit, die vom Menschlichen her gesehen, anständig, würdig und rechtschaffen ist, kann und muss auf die Ebene des Übernatürlichen erhoben werden. Sie erhält so die Tragweite des Göttlichen“ (Im Feuer der Schmiede, Nr. 687). Nicht minder zu beachten ist der folgende Gedanke: „Wenn wir die Arbeit wirklich heiligen wollen, dann müssen wir sie zuallererst einmal ernst nehmen - vor Gott und vor den Menschen. Das heißt: gut arbeiten“ (ebd., Nr. 698). Er führt diesen Gedanken weiter, wenn er schreibt: „Die berufliche Arbeit - auch die Arbeit im Haushalt ist ein Beruf ersten Ranges - gibt Zeugnis von der Würde des Menschen als Geschöpf Gottes. Sie ist Mittel zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Band, das uns mit den Mitmenschen verbindet, Grundlage unserer materiellen Existenz; ein Beitrag zur Besserung der Verhältnisse in unserer Gesellschaft und zum Fortschritt der Völker. Diese Perspektive erweitert und vertieft sich für einen Christen, denn Christus nahm die Arbeit auf sich und machte sie zu einer erlösten und erlösenden Realität: So ist die Arbeit für uns Mittel und Weg zur Heiligkeit - ein konkretes Tun, das wir heiligen und das uns heiligt“(ebd., Nr. 702).

Man kann sich bei dieser Lehre vieles merken. Ich möchte nur auf folgende Punkte hinweisen:
1. (Wenn auch nur nebenbei:) Die Frage der Wertung und Aufwertung der Hausarbeit der Frau ist auch von einem rein gesellschaftlich-politischen Standpunkt aus ein Thema von großer Aktualität.

2. Es wird dazu ermutigt, die Arbeit nicht irgendwie zu verrichten, sondern gut - und das vor Gottes Angesicht. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn er schreibt: „Eine nach professionellen Maßstäben stümperhafte Arbeit kann nicht geheiligt werden. Denn wir dürfen Gott keine schlecht verrichteten Werke darbringen“ (Die Spur des Sämanns, Nr. 493).
Es ist wohl verständlich, dass eine solche Ausrichtung auf die Vollkommenheit einerseits zu hervorragenden Leistungen bei denen führt, die sich die Spiritualität des hl. Josefmaria aneignen. Es darf allerdings nicht verwundern, dass es andererseits bei denen, die darin ein selektives, elitäres Denken wähnen, eine Art Gegenschlag verursacht bis hin zu Neid und Verleumdung. Doch nichts ist unbegründeter als das. Was in den Augen des Heiligen entscheidend ist, wird deutlich, wenn er schreibt: „In den Augen Gottes ist keine Arbeit, für sich genommen, ‚groß’ oder ‚klein’. Allein die Liebe, mit der sie getan wird, bestimmt ihren Wert“ (ebd., Nr. 487).

3. Etwas, was sich als Folge aus dem Gesagten ergibt und was zugleich für die Spiritualität des Heiligen typisch ist, findet sich in einem Gedanken, den er in einem Interview so zum Ausdruck brachte: „Um Gott zu gefallen und ihm zu dienen, ist es nicht nötig, auffallende Dinge zu tun. Alle Menschen ohne Ausnahme ruft Christus auf, vollkommen zu sein, wie ihr himmlischer Vater vollkommen ist (Mt 5, 48). Heiligwerden bedeutet für die überwiegende Zahl der Menschen, ihre eigene Arbeit zu heiligen, sich in dieser Arbeit selbst zu heiligen und die anderen durch die Arbeit zu heiligen, damit sie täglich auf dem Weg ihres Lebens Gott begegnen“ (Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, S. 84).
Eben die Arbeit ist Mittel und Weg zur Heiligkeit - und zwar für jeden Christen. Der hl. Josefmaria konnte seine Spiritualität in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils bestätigt sehen; in einem seiner wichtigsten Dokumente, der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium, ist ein eigenes Kapitel der Berufung aller Menschen zur Heiligkeit in der Kirche gewidmet.

2. Das zweite Thema ist die Liebe.

Der Apostel Paulus sagt mit Bezug auf sie in der Zweiten Lesung: „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt.“
Das, was das Leben und die Spiritualität des Heiligen erfüllte, begeisterte und begeisternd machte, ist eine totale Liebe: Totale Liebe, weil sie keinen Vorbehalt kennt - totale Liebe, weil sie das gesamte menschliche Tun belebt - totale Liebe, weil sie keine Grenzen des Herzens kennt und zu jedem Opfer bereit ist. Das aber, was überraschen kann - zumindest diejenigen, die mit dem Geist Christi nicht so vertraut sind -, ist die Erfahrung, dass dies eine Liebe ist, die voller Freude ist, die einen übernatürlichen Optimismus ausstrahlt. Der Heilige schreibt: „Optimismus? Immer! Auch dann, wenn dir die Dinge scheinbar danebengehen. Vielleicht ist das dann gerade der rechte Augenblick, um ein ‚Gloria’ anzustimmen; denn deine Zuflucht ist ja Er, und von Ihm kann nur das Gute kommen“ (Die Spur des Sämanns, Nr. 90).

Die Freude ist eine typische Frucht des Kreuzes Christi, das der höchste Ausdruck seiner göttlichen und menschlichen Liebe ist. So heißt es auch beim hl. Josefmaria: „Dies sind die klaren Zeichen des echten Kreuzes Christi: Gelassenheit und tiefer, unerschütterlicher Friede; Liebe, die zu jedem Opfer bereit ist; fruchtbringende, aus der durchbohrten Seite des Herrn fließende Wirksamkeit und selbstverständlich - immer - Freude: Eine Freude, die aus der Überzeugung erwächst, dass wahre Hingabe Nähe zum Kreuz bedeutet und folglich Nähe zu Christus einschließt“ (Im Feuer der Schmiede, Nr. 772).
Vergessen wir nie: Die Freude ist eine Eigenschaft des Glaubens und der Heiligkeit.

3. Der dritte Punkt ist das Apostolat.

Das, was dieses Wort meint, ist schon in den beiden ersten Punkten enthalten, weil eine Arbeit, die in ehrlichem Einsatz aus Liebe zu Gott verrichtet wird, immer auch schon apostolisch ist.
In diesem Sinne heißt es bei dem Heiligen: „Hör mir gut zu und sag es weiter: Christentum ist Liebe. Umgang mit Gott macht glücklich und drängt zu großen Taten. Die Sorge um die anderen - das Apostolat - ist kein Luxusartikel, keine ‚elitäre’ Beschäftigung ... Nachdem du das weißt, kannst du dich unbändig freuen, weil dein Leben einen ganz anderen Sinn bekommen hat. Und sei konsequent!“ (Die Spur des Sämanns, Nr.187).
Der hl. Josefmaria hat das verwirklicht, was das heutige Evangelium uns als Verheißung des Herrn an Petrus überliefert: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“
Wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele Menschen aus wie vielen Ländern sich seiner Spiritualität verpflichtet wissen und aus ihr Kraft und Freude empfangen, kann man in der Tat feststellen: Er ist im Sinne Christi wirklich ein Menschenfischer geworden. Fragt man nach den Gründen für seinen - auch rein menschlich betrachtet - bewundernswerten Erfolg, so kommt gewiss vieles in den Blick: Seine Kenntnis des menschlichen Herzens mit seiner Unschlüssigkeit, aber auch mit seiner Kühnheit - seine ausgeprägte Fähigkeit, Sachverhalte klar zu analysieren und überzeugend darzulegen - seine hohe Ausdrucksfähigkeit im Sprechen und Schreiben - sein Talent, organisatorische Maßnahmen auf das Wesentliche zu reduzieren und so wirksamer zu machen - seine Furchtlosigkeit allem gegenüber, was nicht Gott ist oder nicht von Gott kommt - seine unbekümmerte Offenheit gegenüber der Zukunft, die in den väterlichen Händen Gottes liegt: all das spielt auch sicher mit eine Rolle. Aber all das deckt nicht den letzten und wahren Grund auf. Der wahre Grund besteht darin, dass er die Einladung Christi: „Folge mir nach!“ (Mk 1, 17) gehört und angenommen hat. So ist er ein Menschenfischer geworden.
Der hl. Josefmaria ist Christus nachgefolgt, indem er sich bei seiner stetigen kompromisslosen aszetischen Bemühung von ihm als Vorbild jeglicher Tugend leiten ließ. - Er ist ihm nachgefolgt, indem er seinen Tag - mit seinen großen und mit seinen kleinen Verpflichtungen - vom Wort Christi erleuchten und bestimmen ließ. - Er ist ihm nachgefolgt vor allem aber, indem er sich mit ihm zu einem einzigen Opfer verbunden hat. In diesem Sinne schreibt er: „Sei dir allzeit dessen bewusst und danke unserem König dafür, dass Er dich erwählt hat. Er hat dein ganzes Leben - Leib und Seele - mit dem königlichen Siegel des heiligen Kreuzes bezeichnet“ (Im Feuer der Schmiede, Nr. 773). Und in diesem Sinne betet er: „Jesus, Dein göttliches Blut möge durch meine Adern fließen, damit ich in jedem Augenblick großherzig bin - wie Du am Kreuz“ (ebd., Nr. 780). Er ist Christus nachgefolgt, indem er bewusst ein eucharistisches Leben geführt hat. Dem entspricht sein Rat: „Sei ein Mensch, der aus der Eucharistie lebt! Wie viele Früchte der Heiligkeit und des Apostolats wirst du ernten, wenn dein ganzes Denken und Hoffen auf den Tabernakel gerichtet ist!“ (Ebd., Nr. 835).

4. Wie Sie sicher schon gemerkt haben, habe ich mir vorgenommen, mehr als über den hl. Josefmaria zu sprechen, ihn selbst sprechen zu lassen. Seine direkte, ehrliche Sprache, wie sie in seinen Schriften ihren Niederschlag findet, braucht keine Deutung. Jeder kann sie verstehen. Auch das ist ein Zeichen seiner reichen Menschlichkeit und seiner Heiligkeit.
Von seiner väterlichen Gestalt begleitet und von seinen Worten geleitet, können wir jetzt in die Mitte des eucharistischen Geheimnisses eintreten: Es ist die Mitte der Liebe Gottes zu uns - es muss die Mitte unserer Liebe zu Gott werden. Es ist die Quelle, die das Leben des hl. Josefmaria fruchtbar gemacht hat und die das Leben der Kirche und eines jeden von uns fruchtbar machen will.