PONTIFIKALAMT

AM 29. JUNI 2003 UM 9.15 UHR IN DER ABTEIKIRCHE DER ERZABTEI ST. OTTILIEN

(HOCHFEST PETER UND PAUL: APG 12, 1-12; 2 TIM 4, 6-8.17-18;

MT 16, 13-19)

 

Predigt:

 

            Schwestern und Brüder im Herrn!

 

1. Ich will den Herrn allezeit preisen,

immer sei sein Lob in meinem Mund.

Verherrlicht mit mir den Herrn,

lasst uns gemeinsam seinen Namen rühmen.

Mir scheint, dass diese Worte des Psalms, die wir nach der Ersten Lesung gesungen haben, den rechten Ton zu dieser unserer Feier geben.

Das Lob Gottes ist für jeden Gläubigen Verpflichtung, es ist aber zuerst empfangenes Geschenk. Verpflichtung: weil es die Antwort auf das Licht Gottes ist, dass unser Leben durchflutet. Zuerst aber ist es empfangenes Geschenk: Das Wort des Lobpreises geht aus unsrem Herzen hervor, weil Gott selbst es ist, der es sprechen, der es singen lässt.

Wenn das für alle Gläubigen gilt, um wie viel mehr trifft das dann auf eine Benediktinerabtei zu, wo das Lob Gottes - vor allem im Gesang der Psalmen - den Tag der Gemeinschaft strukturiert und die Spiritualität des Mönches durchdringt: Die Regel des heiligen Benedikt schreibt ja vor: „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“ (Kap. 43). Im Gesang der Psalmen, bei dem das Herz in der Stimme seinen Ausdruck findet, vereinigt der Mönch seine Stimme mit der der Engel: „Ich will dir danken aus ganzem Herzen, dir vor den Engeln singen und spielen; ich will mich niederwerfen zu deinem heiligen Tempel hin und deinem Namen danken für deine Huld und Treue“ (Ps 138, 1b-2).

Wenn man auf das vergangene Jahrhundert des Lebens dieser Abtei zurückschaut, fällt es nicht schwer, in diesem ununterbrochenen Lob die wunderbare Verpflichtung von Generationen heiligmäßiger Mönche, aber noch mehr das wunderbare Geschenk Gottes zu sehen, der ihr Leben mit dem Glanz der Heiligkeit und mit der Freude des Gesanges erfüllt hat.

2. Der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören.

Auch diese Worte, die wir vom Apostel Paulus in der Zweiten Lesung gehört haben, geben dem Empfinden Ausdruck, das heute Ihre Gemeinschaft prägt.

Sie sprechen von der Verpflichtung und dem Geschenk der Mission. Die Mission ist eine Verpflichtung; denn sie entspricht dem Auftrag des Herrn: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28, 19). Diese Erzabtei hat sich in ihrer Geschichte durch ihren missionarischen Einsatz ausgezeichnet: Die 16 Abteien und selbständigen Priorate in Europa, in Nord- und Südamerika, in Asien und in Afrika, deren Mutterabtei St. Ottilien ist, geben davon Zeugnis. Und wir wissen, dass die Benediktinerklöster nicht nur vom Lob Gottes widerhallen, sondern dass, wo immer Benediktiner sich niedergelassen haben, dass da - fast wie in einem spontanen Widerhall des himmlischen Gesanges - Menschen sich sammeln, dass die Klöster zu Ausgangspunkten für menschliche Entfaltungen im weitesten Sinn des Wortes werden, Zentren der Kultur unter Achtung und Förderung der Natur, Zentren der Künste und der Wissenschaften. Mission ist Verbreitung des Glaubens, Mission ist zugleich eine Bereicherung der Menschheit. Die Geschichte der Zivilisation kann nicht geschrieben werden, ohne dass ein besonderes Kapitel dem Beitrag der Benediktinerklöster gewidmet wird.

Wenn das auch eine gebührende Anerkennung ist, dann muss gleichfalls gesagt werden, dass der missionarische Einsatz - und alles, was mit ihm verbunden ist - viel mehr von dem gekennzeichnet ist, was man empfängt, als von dem, was man gibt: Der missionarische Einsatz öffnet und weitet zugleich den eigenen Horizont, regt den Geist an und belebt ihn, öffnet zu neuen gesellschaftlichen Beziehungen, befruchtet das eigene geistige und geistliche Leben.

An dieses Kapitel der Geschichte der Erzabtei können wir nicht denken, ohne auch an die Tochterabteien auch auf anderen Kontinenten zu denken und ohne den Namen ihres ersten Missionsbischofs Cassian Spiß zu erwähnen, der vor 100 Jahren zum Bischof geweiht wurde und der seinen Missionsauftrag mit seinem Blut besiegelte. Höchster Einsatz, zugleich aber - und mehr denn je für ihn selbst, für seine Mitbrüder, für die ganze Kirche - höchstes Geschenk. Möge sein Opfer, mit dem Opfer Christi vereint, für die Kongregation von St. Ottilien immer neu Frucht tragen.

3. Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus - der Fels -, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben.

Diese Worte Christi erinnern uns heute - eben am Fest der Apostel Petrus und Paulus - an die Verpflichtung und an das Geschenk der Treue zum Papst als dem Nachfolger Petri, dem sichtbaren Fundament der Kirche: Verpflichtung und Geschenk der Treue, die die Geschichte dieser Erzabtei und ihrer Kongregation kennzeichnen.

Die Verpflichtung zur Treue Petrus und seinen Nachfolgern gegenüber entspricht dem Willen Christi, der auf Petrus - eben auf die Person des Petrus und seiner Nachfolger, die durch die übernatürliche Gabe des Glaubens an Christus ausgezeichnet sind - seine Kirche gegründet und ihnen in einer ganz besonderen Weise die Sorge für seine Kirche anvertraut hat. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt - wie es heute bisweilen geschieht -, man könne die Grenzen der Kirche Christi ausdehnen, indem man die Rolle des Papstes, der von Christus selbst zu ihrem Fundament gemacht worden ist, relativiert. Von der Sicherheit des Fundamentes hängt die Solidität des Gebäudes ab.

Auch hier ist das empfangene Geschenk größer als die Verpflichtung. Ja, weil der Glaube Petri, dessen die ganze Kirche teilhaftig wird, nicht das Ergebnis menschlicher Weisheit ist - „des Fleisches und des Blutes“ -, entspricht er nicht allgemein menschlichen oder kulturellen Kategorien oder gesellschaftlichen Erfordernissen: Er ist ein reines Geschenk der Offenbarung des Vaters.

Ja, das Geschenk ist größer als die Verpflichtung: Wenn wir uns an die Person des Petrus halten trotz Drucks, woher auch immer er kommen mag, wird uns verbürgt, dass wir in der wahren Kirche Christi - „meine Kirche“, sagt Jesus - sind und nicht der eines anderen Gründers, auch wenn er menschlich ansprechend sein mag.

Wenn wir uns an die Person des Petrus halten, schützt uns das gegen die Kräfte des Bösen, die immer danach streben, den Glauben zu relativieren. Wenn wir uns an die Person des Petrus halten - er lebt in seinen Nachfolgern -, wird uns der Zugang zu jenem Reich eröffnet, das Christus uns erworben hat; denn er hat Petrus die Schlüssel des Himmelreiches gegeben.

Die Treue zu Petrus und seinen Nachfolgern ist ein Element des Glaubens eines jeden Katholiken - sie gehört also auch zum Selbstverständnis des Benediktinerordens. Das gilt aber in beispielhafter Weise - und das ausdrücklich zu sagen, ist mir eine besondere Freude - für diese Erzabtei. Ein Zeichen dafür ist die Tatsache, dass die Grundsteinlegung für die Abteikirche, deren Weihe vor 100 Jahren wir heute gedenken, durch den Apostolischen Nuntius Cesare Macchi erfolgte. Ein Zeichen dafür ist auch darin zu sehen, dass heute bei der Hundertjahrfeier der Basilika der Vertreter des Heiligen Vaters in Deutschland eingeladen ist, das festliche Pontifikalamt zu feiern.

Papst Johannes Paul II., der von der Jubiläumsfeier in Kenntnis gesetzt worden ist, hat mich durch Herrn Kardinalstaatssekretär Sodano beauftragt, Herrn Erzabt Jeremias, den Mönchen und ihren in Mitfreude versammelten Brüdern und Schwestern aus anderen Häusern des Ordens sowie allen Freunden und Gästen dieser Klostergemeinschaft seine herzlichen Glück- und Segenswünsche zu überbringen. Am Ende seines längeren Briefes mit Datum vom 25. Juni 2003, in dem die segensreiche Tätigkeit der Erzabtei gewürdigt wird, teilt der Kardinalstaatssekretär mit, dass der Heilige Vater der klösterlichern Gemeinschaft der Erzabtei St. Ottilien und allen, die zu der heutigen Kirchweihfeier gekommen sind, den Apostolischen Segen erteilt.