Ansprache des Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Erwin Josef Ender, anlässlich der Einweihung einer Bronzetafel zum Gedenken an die „Vatikanische Mission“ in Kronberg (1945-1951) am 3. Juli 2005

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kress, sehr geehrter Herr Pfarrer Rösch, sehr geehrte Damen und Herren!

1. Als Apostolischer Nuntius in Deutschland bin ich gern der Bitte von Herrn Pfarrer Rösch und Herrn Bürgermeister Kress nachgekommen, im Anschluss an das Pontifikalamt die Tafel zu enthüllen und zu segnen, die an das Wirken der Apostolischen Mission vom 10. Nov. 1945 bis zum 9. Juni 1951 hier in Kronberg erinnert.

Die katholische Pfarrgemeinde St. Peter und Paul, alle, die sich für das Anbringen der Tafel eingesetzt haben, und die hochherzigen Spender dieser Tafel ließen sich nicht nur von der Absicht eines historischen Gedenkens an eine Institution leiten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in dieser Stadt Großes für Deutschland und für die Menschen in diesem Land geleistet hat. Sie wollten stellvertretend auch eine Dankesschuld abtragen, eine Dankesschuld der deutschen Katholiken, ja, eine Dankesschuld aller Deutschen.

2. Es geht zunächst um den Dank gegenüber dem damaligen Heiligen Vater, Papst Pius XII., der Deutschland gut kannte, der die Verbrechen des Nationalsozialismus verurteilte, aber die Menschen in ihrer Not nicht im Stich ließ: die Deutschen im Land, besonders aber die einströmenden Heimatvertriebenen und die ehemaligen Zwangsarbeiter.

Er beließ die Apostolische Nuntiatur in Eichstätt, als Zeichen dafür, dass er vom Fortbestand des Landes als Völkerrechtssubjekt ausging.

Er ermahnte die Sieger, in einer künftigen europäischen Friedensordnung den besiegten Deutschen einen angemessenen Platz zuzuweisen.

Und er erreichte beim amerikanischen Oberkommandierenden, General Dwight D. Eisenhower, die Genehmigung zur Errichtung der Mission hier in Kronberg.

Es geht um den Dank gegenüber der katholischen Weltkirche. Auch die Katholiken in anderen Ländern sahen die Schreckensbilder, die nach der Befreiung der Konzentrationslager veröffentlicht wurden und die Presse der Welt beherrschten. Sie konnten niemanden unberührt lassen. Dennoch haben sich die Katholiken in anderen Ländern, insbesondere in den USA, Hilferufen aus Rom und Kronberg nicht verschlossen und durch ihre Spenden die Hilfsaktionen ermöglicht, die von dieser Mission ausgingen: Gesten der Versöhnungsbereitschaft, die in der Botschaft des Evangeliums begründet sind.

Es geht ferner um den Dank gegenüber den Menschen, die hier in Kronberg für die Deutschen gearbeitet haben: den Apostolischen Visitatoren Erzbischof Carlo Chiarlo und insbesondere Erzbischof Aloisius Muench, den Priestern aus vielen Nationen, den Ordensschwestern und den Laien.

Der evangelische Kirchenrechtler Adalbert Erler bezeichnete den Motor dieser Mission, den Jesuitenpater Ivo Zeiger, als „um Deutschland hochverdient“ (Erler, Adalbert, Kirchenrecht, 5. Aufl., München 1983, S. 123). Dieses Prädikat gilt für ihn im besonderen, aber auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Mission: Sie haben sich im wahrsten Sinne des Wortes um Deutschland verdient gemacht.

Nicht zu vergessen ist sodann auch der Dank, der zahlreichen amerikanische Soldaten geschuldet wird. Bischof Muench versah zusätzlich das Amt eines Militärbischofs. Er war Chief Chaplain der amerikanischen Besatzungstruppen. Viele der Soldaten unterstützten ihn bei der Hilfe für die Deutschen. Dabei ist zu bedenken: Nicht wenige "GIs", die nun mit ihren Jeeps und Trucks Hilfsgüter in die deutschen Diözesen und in die Aufnahmelager für Heimatvertriebene fuhren, waren 1943 in Süditalien oder 1944 in der Normandie gelandet. Sie hatten gegen die deutschen Soldaten gekämpft und manche ihrer Kameraden verloren. Nun halfen sie den Deutschen - freiwillig. Wie könnten wir das vergessen?

3. Die Existenz der Kronberger Mission im besiegten Deutschland war ein über alles Materielle hinausreichendes Zeichen der Hoffnung. Ihre Priester wussten, dass der Mensch nicht nur vom Brot lebt. Bischof Muench predigte, wo immer er konnte, in der Sedisvakanz zwischen den Bischöfen Dirichs und Kempf häufig auch im Limburger Dom. Pater Zeiger rief die Kronberger Jugend sonntäglich zur „Christenlehre“ in der hiesigen Pfarrkirche zusammen. Zeigers Rede über „Die religiös-sittliche Lage und die Aufgabe der deutschen Katholiken“, die er 1948 im Mainzer Dom anläßlich des Katholikentages vortrug und die hier in Kronberg konzipiert worden war, ist in die Kirchengeschichte eingegangen. Die Deutschen haben auch für die spirituelle Ermutigung zu danken, die von dieser Mission ausgegangen ist.

Auch in seiner Kronberger Zeit - und darüber hinaus - blieb Aloisius Muench Bischof seiner Diözese Fargo in North-Dakota. Die Hirtenbriefe, die er schrieb, fanden in der Presse der Vereinigten Staaten weite Beachtung. Ich verwies in meiner Predigt schon auf den Fastenhirtenbrief von 1946. Die Botschaft von damals ist auch heute - nach 59 Jahren - noch hochaktuell. Insofern ist die neue Gedenktafel auch eine Mahnung an die Deutschen, denen damals geholfen wurde, die Not in vielen Teilen der Welt heute nicht zu vergessen.

4. Dank zu sagen ist schließlich auch Herrn Professor Herbert Alsheimer. Er hat in seinem Buch „Der Vatikan in Kronberg“ das Geschehen von damals aufgearbeitet und dafür Sorge getragen, dass dieses Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht dem Vergessen anheimfällt. In diesem Sinn ist der heutige Tag mit der Enthüllung und Segnung der Gedenktafel auch ein würdiger Abschluss seiner Bemühungen.

Die Tatsache, dass der Akt der Enthüllung und Segnung der Gedenktafel gleichsam eingebettet ist zwischen dem Pontifikalamt und diesem Empfang hier, weist darauf hin, dass diese Initiative ein gemeinsames Anliegen der Kirchengemeinde und der Kommune ist.

So danke ich allen Beteiligten. Möge das Bewusstsein von der Verantwortung gegenüber dem durch die Tafel bezeugten geschichtlichen Erbe zum Wohl der Stadt und der Menschen in allen lebendig bleiben.

Ich danke Ihnen.