14. September 2000

"An der Schwelle des Geheimnisses"

Kirche und Kunst zwischen Tradition und Aufbruch
Das Miteinander von Kirche und Kunst ist nicht mehr selbstverständlich. Es scheint, dass sich beide Seiten schwer miteinander tun. Zu einer Standortbestimmung trafen sich ein Kirchenvertreter, ein Kunsthistoriker, eine Künstlerin und ein Künstler im Pavillon des Heiligen Stuhls. Thema der Podiumsdiskussion: "Die Predigt der Bilder".


Weihbischof Dr. Friedhelm Hofmann,
Mitglied der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche

Der Kölner Weihbischof Dr. Friedhelm Hofmann, Mitglied der Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche, betonte die besondere Bedeutung der Kunst als Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen. Über die künstlerische Arbeit können solche Entwicklungen in den Kirchenraum hineingetragen werden. Davon könne die Kirche nur lernen und profitieren. Wie bei der Kunst stehe auch bei der Kirche der Mensch im Mittelpunkt. Erfreulich sei, dass die Kirche in den letzten Jahren ganz bewußt das direkte Gespräch mit Künstlern gesucht habe.


Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Arnold Nesselrath
vor der Skulptur "White Cloth without Trace" von Katsura Funakoshi

Keine abendländische Kunst ohne die Kirche
Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Arnold Nesselrath legte in einem geschichtlichen Rückblick dar, dass die abendländische Kunst ohne die Kirche nicht denkbar ist. Nesselrath, Direktor der Abteilung für byzantinische, mittelalterliche und moderne Kunst an den Vatikanischen Museen und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, betonte, die Kirche schöpfe einen großen Teil ihrer Identität aus der Kunst. Nicht zuletzt deshalb werde das sogenannte Mandylion, die älteste bekannte Christusdarstellung der Welt, als eindrucksvolle Illustration und Symbol für das Jahr 2000 im Vatikan-Pavillon auf der EXPO gezeigt. Professor Nesselrath rief die Kirche dazu auf, bei dem notwendigen Dialog mit den Künstlern nicht die Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition zu vergessen.


Die Glasmalerin Irene Hugot-Rothweiler
aus Bonn
Die Glasmalerin Irene Hugot-Rothweiler aus Bonn berichtete von ihren praktischen künstlerischen Erfahrungen im Kirchenraum: "Meine Kunst ist ein von intensiven Gesprächen mit Priestern und Gemeindemitgliedern begleiteter schöpferischer Prozeß. Sicher spielt auch meine persönliche Einstellung zum Glauben eine entscheidende Rolle." Das Wichtigste aber sei die Treue des Künstlers zu sich selbst, denn manchmal müsse man auch Sachen ablehnen, die nicht zu einem passen.


Paul Corazolla, Künstler und Kunstvermittler,
vor der Skulptur "White Cloth without Trace" von Katsura Funakoshi

Ä
hnlich argumentierte der Berliner Künstler und Kunstvermittler Paul Corazolla: "Die Künstler müssen spüren, dass die Kirche sie in ihrer Arbeit ernst nimmt. Eine Interpretation der Kunst ist oft verletzend, denn Manches in der Kunst bedarf keiner erklärenden Worte." Eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit zwischen Kunst und Kirche hob Paul Corazolla hervor: Sowohl Künstler wie auch Geistliche stehen in ihrem Tun "an der Schwelle des Geheimnisses." Dieses Mystische, und Heilige, das sich der Verkündigung in Worten entziehe, könne die Kunst sichtbar machen.


Moderator Dr. Thomas Sternberg
neben der Skulptur "Cato und Porcia", Hochrelief des Grabsteins von Marcus Gratidius Libanus und Gratidia Chrite aus der späten augustinischen Zeit

Geheimnis des Glaubens im Antlitz Christi

Diesen Gedanken griff der Moderator Dr. Thomas Sternberg, Leiter der Katholischen Sozialen Akademie Franz Hitze Haus Münster, in seinem Schlußwort auf. "Gerade hier im Pavillon schafft die Kunst, das Geheimnis des Glaubens in den Gesichtern der dargestellten Menschen und im Antlitz Christi im Mandylion sichtbar zu machen."