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Muss man als katholischer Christ nicht zuerst seinem eigenen Gewissen folgen und danach erst den Weisungen des Papstes und der Kirche?
Es stimmt: Jeder Mensch, also auch der Christ, muss seinem Gewissen folgen. Immer. Das ist keine philosophische Entdeckung unserer Tage, sondern uralte Lehre der Kirche. Heute aber reden viele Leute von Gewissen und meinen damit eine Art Recht auf Eigensinn. Dagegen erinnert die Kirche uns daran, dass wir als Christen nicht nur eine Verantwortung haben vor unserem Gewissen, sondern auch für unser Gewissen.

Als "Statthalter Christi" hat der englische Kardinal John Henry Newman das Gewissen bezeichnet. Damit hat er die Würde und den hohen Anspruch des Gewissens heraus-gestellt. Denn schon zu seiner Zeit, im 19. Jahrhundert, wurde viel darüber diskutiert, wie religiöser Glaube und persönliche Gewissensfreiheit zueinander stehen. Auch damals meinten viele kluge Leute, es reiche, das Gewissen am Glück des einzelnen oder am größten allgemeinen Nutzen auszurichten, dann werde es schon richtig funktionieren.

Doch für einen Christen ist das ein bisschen dürftig. Genau wie für jeden anderen Menschen, der weiß, dass er sich nicht selbst gemacht hat. Mit einigermaßen wachem Ver-stand wird er irgendwann darauf kommen: Es gibt da "ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muss und dessen Stimme ihn immer anruft, das Gute zu lieben und zu tun und das Böse zu meiden" (Zweites Vatikanisches Konzil). Diese Stimme wird, falls wir genau hinhören, nicht nachplappern, was "die Menschen", die Gesellschaft und unser Bauch wollen, son-dern sie wird uns sagen, "was Gott will" (Mt 16,23).
Wenn nun aber das Gewissen Stimme Gottes und Statthalter Christi ist, wäre es ganz falsch, zwischen diesem und den Weisungen der Kirche einen Gegensatz aufbauen zu wollen. Denn Christus, Gottes Sohn, spricht durch die Kirche. Er sagt selbst: "Wer euch hört, der hört mich" (Lk 10,16). Und er hat der Kirche einen Menschen als seinen Stellvertreter auf Erden gegeben: den Papst.

Was die Kirche in Fragen des Glaubens und der Moral lehrt, ist nicht ein Knebel für die Gewissensfreiheit, sondern der zuverlässige Rahmen, in dem das Gewissen des Christen bei allen großen und kleinen Herausforderungen des Lebens seine konkreten Entscheidungen zu treffen hat.

Die Weisungen der Kirche sind für den Gläubigen Hilfsmittel, damit er sein Gewissen wie ein sensibles Gehör schulen und die Stimme Gottes immer klarer und deutlicher wahrnehmen kann. Es liegt in unserer Verantwortung als mündige Christen, diese Chance nicht leichtfertig auszuschlagen.